China verunsichert Taiwan

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Peking nutzt den desaströsen Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan, um Taipeh weiter zu verunsichern. Kann sich die Insel noch auf die USA verlassen?

Von Lea Sahay, Peking

Washington als Verbrecher gegen die Menschenrechte, als herzloser Besatzer, Chaosstifter und Pinocchio mit langer Nase: Genüsslich berichten die chinesischen Staatsmedien in diesen Tagen über den katastrophalen Abzug der US- und Nato-Truppen aus Afghanistan. Gerne auch mit hämischen Karikaturen. Als klar wurde, wie ernst die Lage in Kabul ist, veröffentlichte die ultra-nationale Global Times noch eine weitere Zeichnung. Darauf die taiwanische Präsidentin Tsai Ing-wen, die von einem Weißkopfseeadler, Wappentier der USA, die Richtung gewiesen bekommt. Die Präsidentin läuft, ohne es zu bemerken, auf ein tiefes Loch zu.

Der Abzug, so heißt es in dem Kommentar zur Karikatur, habe in Asien viele schockiert. Doch am stärksten sei Taiwan vom Schutz Washingtons abhängig, dementsprechend groß sei nun angeblich die Angst in Taipeh. Schnell griffen auch andere chinesische Medien diese These auf. Afghanistan sei der letzte Beleg für das Ende des amerikanischen Führungsanspruchs in der Welt. Verbündete und Partner wie Taiwan werden sich zukünftig nicht mehr auf das Land verlassen können, so die einhellige Meinung der Kommentatoren. “Ob das ein Omen für Taiwan ist?”, fragte die Global Times.

Wenige Tage später hielt die chinesische Volksarmee Militärübungen in unmittelbarer Nähe zu Taiwan hab. Als Antwort auf externe Einmischung und Provokationen durch Unabhängigkeitskräfte, erklärte die Armee. Ein Portal der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua verkündete, Peking erhöhe weiter seine Kampfbereitschaft. In den vergangenen drei Monaten hätten die Streitkräfte knapp 40 Übungen in der Region durchgeführt - auch um ausländische Streitkräfte abzuschrecken.

Die Lage in Afghanistan und die Verpflichtungen gegenüber Taiwan sind, und das dürften chinesische Kommentatoren im besten Fall selbst wissen, kaum miteinander zu vergleichen, die meisten vermeintlichen Analogien wirken hanebüchen. Die USA und Taiwan pflegen seit dem Bürgerkrieg enge Beziehungen, die im Taiwan Relations Act von 1979 geregelt sind. Die Unterstützung der Insel ist in Washington parteiübergreifend unumstritten. In den vergangenen Jahren haben die USA diese weiter verstärkt. Dennoch ist die Bedrohung für den kleinen Inselstaat 160 Kilometer vor der Küste Chinas heute größer denn je. Und das hat auch mit Afghanistan zu tun.

Unter Xi Jinping hat sich der Ton geändert

Taiwan und China sind seit Ende des chinesischen Bürgerkriegs voneinander getrennt. 1949 setzten sich die Kommunisten gegen die rivalisierenden Nationalisten durch und riefen auf dem Festland die Volksrepublik China aus. Die unterlegenen Gegner flohen nach Taiwan und bildeten dort eine eigene Regierung. In den vergangenen mehr als 70 Jahren waren die Beziehungen immer wieder von Krisen und Konflikten geprägt, eine direkte kriegerische Konfrontation hat es aber nie gegeben. Eine militärische Einnahme der Insel war die längste Zeit eher Fantasie als konkretes Szenario. Das ändert sich.

Bis vor einigen Jahren propagierte Peking noch eine friedliche Wiedervereinigung, als ein mögliches Vorbild sollte die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong dienen. Beide Staaten pflegten verhältnismäßig gute Beziehungen, der wirtschaftliche Austausch war eng. Doch unter Staats- und Parteichef Xi Jinping hat sich der Ton geändert.

Chinas Präsident Xi Jinping hat ein klares Ziel ausgegeben: 2017 sagte er, die Wiedervereinigung sei eine “unumstößliche Voraussetzung”, um den Wiederaufstieg des Landes zu einer Weltmacht zu vollenden. Zwei Jahre später drohte er Taiwan offen. Die Lage dürfte nicht von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden. Eine Wiedervereinigung müsse her, mit “allen erforderlichen Mitteln”. Auch wenn manche Beobachter darauf verweisen, dass Xi nie einen genauen Zeitpunkt genannt hat - er wirkt ungeduldiger als seine Vorgänger.

Die Folgen sind für die Taiwaner jeden Tag spürbar. Permanent dringen chinesische Kampfflieger in den taiwanischen Luftraum ein. Begleitet werden die militärischen Drohgebärden von Cyberattacken, Desinformationskampagnen und Wahleinmischung, wie sie die Demokratie nie zuvor erlebt hat. Die Nachrichtenagentur Reuters dokumentierte im Februar, wie Armeen von Baggerschiffen Stück für Stück den Sand um die taiwanischen Matsu-Inseln abtragen. Aus der Umarmungstaktik ist der Versuch geworden, die Taiwaner mit allen Mitteln zu erschöpfen. Längst sprechen Experten von einem Konflikt an der Grenze zu einem Krieg.

Die Machtverhältnisse haben sich verschoben

Dazu hat Peking seine Bemühungen verstärkt, das Land diplomatisch zu isolieren. In den letzten 25 Jahren hat China mehr als ein Dutzend Länder dazu gebracht, ihre offiziellen Beziehungen zu Taipeh zu kappen. Übrig sind nur noch 15 Staaten, die Taiwan anerkennen. Auch die Bundesrepublik riskiert ihre Geschäftsbeziehungen zu Peking nicht, um die Demokratie zu unterstützen. In der Pandemie bedeutete das, dass Taiwan trotz der großen Not nicht an den Mitgliederversammlungen der Weltgesundheitsorganisation teilnehmen kann - nicht einmal als Beisitzer.

Mit dem Rückzug der Amerikaner aus Afghanistan hat das alles wenig zu tun. Pekings Reaktion zeigt jedoch eine Gefahr. Lange Zeit dürfte niemand in Chinas Hauptstadt ernsthaft erwartet haben, einen militärischen Konflikt mit Taiwan zu gewinnen. Doch die Machtverhältnisse in der Region haben sich verschoben. Viele chinesische Kommentatoren scheinen in diesen Tagen davon überzeugt zu sein, dass ein Eingreifen der USA keinesfalls mehr sicher erscheint. Bisher waren die Drohungen gegen Taiwan ein billiges Instrument, die Bevölkerung hinter sich zu versammeln. Die größte Gefahr für den Frieden in der Region dürfte sein, dass Peking anfängt, seinen eigenen Worten zu glauben.

China und der Zoff um Taiwan: Ein EU-Zwerg bietet Peking die Stirn

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Schwere diplomatische Krise zwischen dem 1,4-Milliarden-Einwohner-Land China und dem EU-Zwerg Litauen (2,8 Millionen Einwohner).

Hauptgrund: Litauen vertieft seine Beziehung zu Taiwan – ohne Rücksicht auf China, das die Insel als abtrünnige Provinz betrachtet.

China ist sauer – und reagiert: Peking zieht seinen Botschafter aus dem kleinen Baltikum-Staat ab – und wirft dessen Vertreter aus Peking raus.

Das war konkret passiert: Vor drei Wochen kündigte Taiwan an, eine Wirtschaftsvertretung in der litauischen Hauptstadt Vilnius zu eröffnen. Der heikle Name des Büros: „Taiwan-Vertretung“.

Lesen Sie auch Fahrt der Fregatte „Bayern“ Knickt die Bundesregierung vor China ein? Die Bundesregierung entsendet die Fregatte „Bayern“ in den Indo-Pazifik – doch ist dies nur Symbolpolitik?

Riesige Militär-übung am Strand So probt China die Invasion von Taiwan Es ist die größte Gefahr für das kleine Land… Offenbar bereitet sich China sehr aktiv darauf vor, in Taiwan einzumarschieren!

Ein besonderer Vorfall, der China mächtig erzürnt. Denn sonst geht die Welt mit Taiwan meistens so um, wie Peking das will: Ähnliche Vertretungen in anderen Ländern, etwa in Deutschland, heißen „Taipeh-Vertretung“ wie die Hauptstadt Taiwans, tragen aber nicht den Namen des Landes.

Taiwan (23,6 Mio. Einwohner), die sich 1949 nach dem chinesischen Bürgerkrieg abspaltete und heute demokratisch lebt, ist Peking seit seiner Gründung ein Dorn im Auge. Aus Angst vor China erkennen die meisten Länder der Welt den Inselstaat, der sich selber auch „Republik China“ nennt, nicht offiziell an, auch in der UN ist Taiwan kein Mitglied. Nur 15 recht kleine Länder, darunter der Vatikan, tun das und haben dafür keine diplomatischen Beziehungen mit China.

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Auch diese Maßnahmen lassen China schäumen

Die jüngste Eskalation zwischen Vilnius und Peking kam nicht aus heiterem Himmel. Schon seit einiger Zeit zeigt Litauen immer wieder, dass eine China-Politik ohne Kotau vor Peking möglich ist:

▶︎Im Mai erklärte das litauische Parlament die Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren in China zum Genozid.

▶︎Kurz darauf trat Litauen aus „17+1“ aus, einer von Peking initiierten Kooperation zwischen China („1“) und mittel- und osteuropäischen Ländern („17“), bei der Peking wirtschaftliche Vorteile verspricht – im Gegenzug für politische Gefälligkeiten.

► Im Juni spendete Litauen 20 000 Dosen AstraZeneca an Taiwan. Das Land hat wegen Chinas Blockade (etwa in der Weltgesundheitsorganisation WHO) Mühe, sich Impfstoff zu beschaffen.

Die litauische Bevölkerung steht felsenfest, wenn es darum geht, China die Stirn zu bieten. Als 2019 in Hongkong Proteste gegen Pekings übergriffige Politik in der Sonderverwaltungszone aufflammten, zeigte auch die litauische Bevölkerung große Solidarität mit der Demokratiebewegung und organisierte Kundgebungen in Vilnius.

Taiwan: China droht deutlicher denn je – Showtime im Südchinesischen Meer

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Hannover. „Jetzt noch ein kurzes Kuschelwochenende mit den Lieben daheim. Und dann geht’s los.” So beschrieb die Crew der deutschen Fregatte „Bayern“ am Sonntag auf Twitter die Stimmung unter den 243 Besatzungsmitgliedern.

Am Montagnachmittag war es vorbei mit der kuscheligen Zeit.

Von Wilhelmshaven aus setzte sich das 140 Meter lange deutsche Kriegsschiff in Bewegung – und startete zu einer der politisch heikelsten Missionen in der Geschichte der Bundeswehr. Nie zuvor sollte die Bundesmarine so demonstrativ Flagge zeigen im Pazifik, und nie zuvor lag dort eine so massive Spannung in der Luft.

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„Es ist gut, über unsere Werte zu reden, noch besser ist es, konkret etwas dafür zu tun“, betonte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die in Wilhelmshaven die Soldaten verabschiedete. Ohne China ausdrücklich zu erwähnen, umriss sie Sinn und Zweck der Mission: „Wir wollen, dass bestehendes Recht respektiert wird, Seewege uneingeschränkt befahrbar sind und offene Gesellschaften geschützt werden.“

„Bestehendes Recht respektieren, offene Gesellschaften schützen“: Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU, Mitte), bei der Verabschiedung der Fregatte „Bayern“ in Wilhelmshaven. © Quelle: Sina Schuldt/dpa

Außenminister Heiko Maas (SPD) klang in einer in Berlin verbreiteten Erklärung fast schon feierlich: „Im Indo-Pazifik entscheidet sich die Ausgestaltung der internationalen Ordnung der Zukunft. Wir wollen diese mitgestalten und Verantwortung übernehmen für den Erhalt der regelbasierten internationalen Ordnung.“

Auch Maas verzichtete auf eine Erwähnung Chinas. Niemand in Berlin will die neue Weltmacht unnötig reizen. Jeder weiß: Der Drache ist derzeit schon gereizt genug. Die Fregatte „Bayern“ leistet dazu einen Beitrag.

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China wollte die deutsche Mission verhindern

Wochenlang, heißt es in Diplomatenkreisen, haben chinesische Diplomaten versucht, den Berlinern die Mission mit der Fregatte auszureden. Dass Amerikaner, Briten und Franzosen im Südchinesischen Meer „Unruhe stiften und Streit säen“, sei schon Unvernunft genug, da sollten die Deutschen sich doch bitte raushalten – und an die Geschäfte denken.

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AKK aber blieb stur. In einer Zeit, in der etwa auch die Niederländer mit einer Fregatte Zeichen setzten für die Freiheit der Schifffahrt im Südchinesischen Meer, könne Berlin unmöglich abseits stehen. Zudem habe sich China durch seine menschenrechtswidrige Unterdrückung in Xinjiang und Hongkong an einen Punkt bewegt, an dem man dem Regime endlich mal die Grenzen aufzeigen müsse – in einem international abgestimmten Kontext.

Video Taiwans Außenminister: „China wird gefährlich, wenn es unter Druck gerät“ 6:07 min Taiwans Außenminister Joseph Wu fürchtet, sein Land könne eines Tages zum Sündenbock für Chinas innere Probleme werden. © RND

Hinter den Kulissen allerdings wurden Kompromisse gemacht. Angela Merkels Kanzleramt sicherte den Chinesen zu, die Fregatte werde nicht auch noch durch die Taiwan-Straße fahren. Zudem ließ das Kanzleramt in Peking höflich anfragen, ob man nicht auch einen Stopp in der chinesischen Hafenstadt Shanghai verabreden könne, das könne dem Eindruck einer antichinesischen Expedition vorbeugen. Eine Annäherung der Chinesen steht noch aus.

Was ist das? Anbiederung? Oder Zwiedenken nach Merkel-Art? Di­plomaten aus den USA und aus Taiwan verfolgten diese Details mit stummem Augenrollen.

Kommt jetzt ein Gezeitenwechsel?

Doch immerhin: Die deutsche Fregatte ist unterwegs. Und die Mission markiert, was viele noch nicht wissen, erst den Anfang einer größeren pazifischen Präsenz der Europäer. Im Jahr 2022 sollen erstmals gemeinsame Eurofighter-Übungen mit Japan und Australien folgen, das hat AKK schon mit ihren Amtskollegen Florence Parly in Frankreich und Ben Wallace in Großbritannien verabredet.

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Erlebt die Welt jetzt einen Gezeitenwechsel: den Übergang in eine Phase der Eindämmung Chinas, nach dessen jahrzehntelangem ungebremsten Aufstieg?

Die USA vor allem beeilen sich, China in die Schranken zu weisen. Der neue Präsident Joe Biden schlüpft, zum Entsetzen Pekings, in die alte Rolle des Weltpolizisten und zieht auch schon mal warnend den Colt.

Mitte Juli, bei der „Operation Pacific Iron“, zischten plötzlich mehr als zwei Dutzend Jagdflugzeuge vom Typ F-22 (Raptor), mehr als je zuvor, in den Westpazifik. Diese Kampfjets der fünften Generation, unsichtbar für Radarsysteme, könnten im Kriegsfall Chinas Luftverteidigungssysteme ausknipsen: Der Drache würde, gleich zu Beginn des Kräftemessens, zum Papiertiger.

Fürs Radar unsichtbar: Kampfflugzeug der US Air Force vom Typ F-22 (Raptor).

Peking klingt inzwischen mehr als verschnupft, etwas Beleidigtes schwingt mit. Xie Feng, Chinas Vizeaußenminister, erklärte: „Wir fordern die USA auf, ihre fehlgeleitete Denkweise und gefährliche Politik zu ändern. Offenbar ist eine Kampagne im Gang mit dem Ziel, China zu Fall zu bringen.“

Taiwan ist Xi ein Dorn im Auge

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Die USA üben exakt jene Hightech-Einsätze, die tatsächlich nötig wären, wenn es zum Krieg mit China kommt. Zudem stärken oder reaktivieren sie alte Allianzen: mit Südkorea, mit Japan, zuletzt mit den Philippinen. Für all dies gibt es ein bewährtes Vorbild: die Containment-Politik von Harry S. Truman gegenüber der Sowjetunion.

Muss man im 21. Jahrhundert, wie es schon die alten Römer empfohlen haben, „den Krieg vorbereiten, wenn man den Frieden will“?

Sogar die Grünen sind mit Blick auf die Führung in Peking für einen Kurs der Festigkeit. „Appeasement verhindert im Fall von China nicht die Kriegsgefahr“, sagt ihr China-Experte im Europaparlament, Reinhard Bütikofer.

Sorgenvolle Blicke fallen derzeit auf Taiwan. Die Insel ist völkerrechtlich ein Teil Chinas, führt aber politisch bereits seit dem Ende des chinesischen Bürgerkriegs 1949 ihr Eigenleben – und zwar ein wirtschaftlich und gesellschaftlich sehr erfolgreiches. Nach der anfänglichen Militärherrschaft von Chiang Kai-shek entwickelte sich Taiwan, anders als das chinesische Festland, zu einer Demokratie. Inzwischen ist Taiwan das liberalste Land Asiens, in weltweiten Demokratierankings schlägt es viele Staaten Europas.

Freie China: Tanzende Menschen während der Taiwan Pride Parade, bei der mehr als 130.000 Teilnehmer durch die Straßen der Hauptstadt Taipeh zogen. © Quelle: imago images/ZUMA Wire

Dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping ist Taiwan ein Dorn im Auge – schon weil es ständig den Erfolg einer Kombination vorführt, die Xi für unmöglich erklärt hat: chinesisch sein und frei sein und in Wohlstand leben. Die von ihm bis in den letzten Winkel durchgesetzte diktatorische Führung der Gesellschaft, glaubt Xi, sei der einzige Erfolg versprechende Weg.

Immer mehr steigert sich Xi hinein in eine Mischung aus Nationalismus und Größenwahn. Am 1. Juli, bei einer Veranstaltung zum 100. Geburtstag der Kommunistischen Partei Chinas auf dem Platz des Himmlischen Friedens, ließ er 70.000 Chinesen zum Applaudieren antreten. Hubschrauber bildeten eine große „100“ am Himmel, als er gegen „ausländische Kräfte“ loslegte, denen China es niemals erlauben werde, es zu schikanieren. Jeder, der das versuche, „wird sich auf einem Kollisionskurs mit einer großen Mauer aus Stahl finden, die 1,4 Milliarden Chinesen geschmiedet haben“, grollte der Parteichef – und erntete ausgerechnet für diese Passagen den lautesten Jubel der begeisterten Massen.

Drohend und düster ging es weiter, als sich Xi dem Thema Taiwan zuwandte: Niemals werde er zulassen, dass die „Unabhängigkeitskräfte“ sich durchsetzen. Ziel bleibe die „friedliche Wiedervereinigung“ mit der Insel.

Die Angst vor einem Ultimatum

Vielen Menschen in Taiwan schwant nichts Gutes angesichts dieser Töne. Was will die Regierung in Taipeh tun, wenn eines Tages ein Ultimatum aus Peking kommt? Bitte unterschreibt im beiliegenden Dokument unten rechts die friedliche Wiedervereinigung – andernfalls beginnt die Invasion der Insel in 30 Tagen.

Noch vor 20 oder 30 Jahren glaubten Militärexperten, China sei militärisch zu einer Invasion gar nicht in der Lage. Das taiwanische Militär könne die zerklüftete Insel mit ihren engen Stränden leicht verteidigen. In unendlich vielen seriösen Computersimulationen wurde die Schlacht um Taiwan schon durchgespielt, stets beginnt alles mit dem Untergang jedes zweiten chinesischen Schiffs: Taiwan hat auch U-Boote.

Die Schwimmpanzer kommen: Mit Bilder wie diesen will Chinas Volksbefreiungsarmee den Menschen in Taiwan Angst einjagen. © Quelle: China Military

Inzwischen aber hat die Volksrepublik kräftig investiert: in Kampfhubschrauber etwa und Schwimmpanzer. Hinzu kommen Raketen, Drohnen und mögliche Attacken, die es bislang in Kriegen noch nicht gab, etwa durch elektromagnetische Impulse, die Computer lahmlegen, oder durch Anti-Satelliten-Waffen.

Das schlimmste Risiko aber liegt in den weltpolitischen Kettenreaktionen. Taiwan hat keine direkten Bündnisverträge wie ein Nato-Staat. Kommt aber zum Beispiel Japan Taiwan zu Hilfe, was sehr wahrscheinlich wäre, könnte Japan seinerseits auf Hilfe aus den USA rechnen. Von da an wäre es nicht mehr weit bis zur direkten Konfrontation zwischen den USA und China. Spekulationen darüber, dass Russland einen solchen Moment nutzen würde, um in die Ukraine vorzustoßen, verdüstern derzeit bei einigen Nato-Leuten zusätzlich die Stimmung.

Ein weiteres Problem, sagt ein Ministerialer aus Kramp-Karrenbauers Ressort in Berlin, liege darin, dass die Bevölkerung in den westlichen Demokratien all diesen Bedrohungen derzeit kaum Beachtung schenke: „Alle reden nur über Corona.“